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presse: kurt oesterle - 'martha und ihre söhne' - lesung

vorschau    pressebericht

2017  
  Donnerstag, 16.02.2017, 20:00, Kulturkneipe Häberlen
Eintritt:
Eintritt € 5,-
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Rundschau Gaildorf, 20.02.2017, Rainer Kollmer

Kurt Oesterle

Kurt Oesterle: "Ich bin kein Städter"

Der Autor Kurt Oesterle war wieder in Gaildorf zu Gast. Im Häberlen und am Schenk-von-Limpurg-Gymnsium las er aus seinem Roman "Martha und ihre Söhne", der in der Zeit des Übergangs von der Diktatur zur Demokratie spielt.

Der Tübinger Autor Kurt Oesterle ist im Limpurger Land kein Unbekannter. Aber die Klette des Geburtsorts Oberrot am literarischen Gewand des Schriftstellers ist inzwischen abgefallen. Die Widerhaken brachen wohl an den Spitzen ab. Im „Häberlen“ war er jetzt mit einer beeindruckenden Lesung aus seinem Roman „Martha und ihre Söhne“ zu hören. Eingeladen hatten die Kulturschmiede und Buchhändlerin Gabriele Schagemann.
Der Autor, dessen sprachliche Wurzeln seit 1955 im Grenzland zwischen Hohenlohe und Schwaben verankert waren, hat den fruchtbaren historischen Humus seiner Herkunft mit „Martha und ihre Söhne“ verlassen. Die Figuren aus dem Rottal sind in dem Roman, der im Februar 2016 erschien, zu symbolhaften Personen destilliert, die überall und nirgendwo zu finden sind. Nach der Lesung erklärt Oesterle: „Der Ort des Buches liegt in einer Gefühlslandschaft“. Und er schränkt ein: „Ich bin kein Städter.“

Flucht in die Heirat
Die Geschichte von Martha, die 1925 geboren wird und als Kind unbefangen in den Nationalsozialismus hineinlebt, wird erst mit dem Kriegsende so richtig interessant. Die Zeit davor ist ein Schatten, der die zukünftige Lebensgestaltung von Martha bestimmt. Ihre Heirat mit Paule und die Geburt der beiden Söhne Alfred und Helmut sind ein hilfloser und aberwitziger Versuch einer Frau, der Rache der Sieger zu entkommen. Denn die Sieger, die am Kriegsende angeblich die Freiheit bringen sollen, sind bis jetzt immer die Feinde gewesen.

Martha, die als Jugendliche nichts außer Rassen-Ideologie, Macht und Herrentum kennenlernt und dies als positive Normalität in Freiheit betrachtet, zieht Oesterle in seinem Roman aus der braunen Nazibrühe und versenkt sie in der schillernden Demokratisierungssauce der Alliierten, die auf einmal eine andere Freiheit auf ihre Fahnen geschrieben haben.Der sprachliche Feinschliff ist dabei beachtlich. Der plakative Satz „Achtung, 1. Tanzkurs seit dem Waffenstillstand“ strotzt vor Ironie und Sarkasmus. Aber damit nicht genug. Der Autor zwängt Martha, die innerlich widerstrebt, in einer weiteren Rosskur zusätzlich zwischen die Mahlsteine von Umerziehung und früh erlernter rechter Gesinnung. Der Roman lebt von diesen beständigen Spannungsfeldern, in die Martha und ihre Söhne gestellt sind.

Kurt Oesterle gelingt es, den Zuhörern in gut zusammengestellten Ausschnitten die Anliegen seines Buches zu vermitteln. Mit ein wenig heiserer Stimme und einer leichten Dialektausprägung zeigt er seine hohe Meisterschaft als Vorleser und Interpret. Er wirkt hinter der grünen Tischlampe äußerst konzentriert, verzichtet gänzlich auf dramatisierende Effekthascherei und lässt damit dem spannenden Gang seiner Geschichte freien Lauf. Seine rechte Hand gestikuliert gelegentlich erläuternd, ein leicht erhobener Zeigefinger unterstützt so manche Aussage. Die Wirkung überlässt er jedoch seiner gewählten Sprache und dem Verlauf des vorgetragenen Geschehens. Er selbst tritt hinter seine Geschichte zurück.

Zeitlose Kernfrage
Doch was sind die Anliegen von Kurt Oesterle? Soll es eine historische Aufarbeitung sein, ein Schlaglicht auf die Vergangenheit? Zur Darstellung der geschilderten Gebrochenheit der Situation im Roman erklärt er die Rolle einer Frau als „bessere Folie“ für seine Absicht. Die scheinbare Neutralität und vermeintliche Unbefangenheit und Unschuld der Zentralfigur Martha machen es ihm möglich, Fehlperspektiven zu vermeiden. Martha hat während der Nazizeit kein negatives Diktaturempfinden, Mitmachen ist selbstverständlich. Sie gerät ins Schleudern, als sie sich nach Kriegsende erneut anpassen soll.

Die geschilderte Suche eines Menschen nach politischer Identität und aufrechter menschlicher Gesinnung macht Kurt Oesterle für die Zuhörer und Leser seines Romans zur zeitlosen Kernfrage, der sie sich zu stellen haben.  Vor seinem Auftritt im Häberlen hat Oesterle im Schenk-von-Limpurg-Gymnasium vor Kursstufenschülern gelesen. Die Schule hat er vor etlichen Jahren selbst besucht – er nennt sie "das Angstgelände seiner Jugend". Für die Urenkel von Martha und ihren Söhnen dürfte sich mit der zeitlichen Distanz zum Thema der Blick auf die Kernfrage des Buches jedoch nicht wesentlich verstellt haben.

Text zum Foto:
Der aus Oberrot stammende und in Tübingen lebende Autor Dr. Kurt Oesterle liest im Gaildorfer Häberlen aus seinem Roman „Martha und ihre Söhne“. 

 

 

...hier entlang zur Website von
...Kurt Oesterle... www.kurt-oesterle.de